Die Fernsehnachrichten von morgen

Daniel Bröckerhoff, Moderator der Nachrichtensendung "heute +". Foto: Fredrik von Erichsen
Daniel Bröckerhoff, Moderator der Nachrichtensendung "heute +". Foto: Fredrik von Erichsen

Wie sehen die Fernseh-News von morgen aus - schnelle Schnitte, lockere Sprache, viele Grafiken? Das ZDF ist gerade im Labor mit der Sendung «heute +», die ab 18. Mai nicht nur die Nachfolge von «heute nacht» antreten, sondern auch jünger daherkommen will - und manchmal auch ein bisschen frecher als bisher. Das Angebot soll bereits um 23.00 Uhr im Internet zu sehen sein, noch vor der TV-Ausstrahlung. «Wir versuchen, damit andere Zielgruppen zu erreichen», sagt Redaktions-leiter Clas Dammann. Das Ziel: 

Ein modernes Nachrichtenformat mit neuer Ansprache und neuem grafischen Zugriff auf die Themen. «Wir versuchen, mehr hinter die Ereignisse zu gehen und auch mal gegen den Strich zu bürsten.»


Im Zentrum steht der Dialog. Die Internetgemeinde soll nicht bis zur Sendung warten: Das ZDF postet den Tag über Beiträge. Die sollen ruhig zur Debatte anregen. «Seid ihr heute Morgen auch schon in die ‪#‎Geiselnahme‬ der GDL geraten?», schrieb die Redaktion zum Start des achten Streiks der Lokführergewerkschaft GDL am Dienstag auf Facebook und zeigte ein Foto mit der Frage: «Welchen Einfluss hat der Bahnkunde?» Ein User fand: «Mit "Geiselnahme" lehnt ihr euch aber verdammt weit aus dem Fenster!!!» Woraufhin die Redaktion erwiderte: «Gestern haben wir bereits das Stück mit der GDL-Position in Auftrag gegeben, so ergibt sich dann ein ausbalanciertes Bild.»


Daniel Bröckerhoff, der mit Eva-Maria Lemke «heute +» moderiert, will News auf Augenhöhe: «Das ist gerade dieses Ding, kein Nachrichtenhochamt zu sein», sagt der bisherige Reporter der Einsplus-Sendung «Klub Konkret». Schließlich ist die Zielgruppe zwischen 25 und 45 und viel mit Smartphone oder Tablet unterwegs. Die Moderatoren sollen Freiräume haben: Bröckerhoff will journalistische Haltung rüberbringen, ohne zu kommentieren. «Die Idee ist nicht, dass die Moderatoren um 23.00 Uhr aus dem Nebel auftauchen, 15 Minuten die Verkündigung geben und dann wieder verschwinden.» Dabei ist die Sendung Mitglied der «heute»-Familie. Claudia Rüggeberg, Vizeleiterin der «heute»-Redaktion, betont: «Uns ist daran gelegen, dass wir eine seriöse und substanzielle Infosendung sind.»


Die ARD spricht mit ihrem Nachrichtenklassiker «Tagesschau» auch die Internetnutzer an - auf tagesschau.de oder per App. «Die "Tagesschau" um 20 Uhr wird im Internet regelmäßig abgerufen, genau wie die "Tagesthemen"», sagt Sprecherin Anna Engelke. Im ersten Quartal 2015 zählte die ARD im Schnitt 34,5 Millionen Besuche im Monat. Die Sendung hat auch im Fernsehen zahlreiche junge Zuschauer: «Dass junge Menschen unter 30 Jahren Medien und Nachrichten vielfach im Netz konsumieren, wissen wir. Dennoch erreichen wir mit der klassischen "Tagesschau" um 20 Uhr im Fernsehen regelmäßig 12,7 Prozent bei den 14- bis 29-Jährigen.» Im Netz werde auch die «Tagesschau in 100 Sekunden» häufig genutzt.


Der Privatsender RTL bietet seine Nachrichten wie ARD und ZDF auch auf Facebook an. «RTL Aktuell» habe mit rund 660 000 Fans fast doppelt so viele wie die ARD-«Tagesschau» (rund 380 000) oder die ZDF-Nachrichten «heute» (rund 300 000), sagt der Sprecher von RTL interactive, Thomas Bodemer. Der Kölner Sender will die News-Angebote im Netz künftig weiter vor allem mit Videoinhalten ausbauen, um auch sehr junge Nutzer zu erreichen. Auch die Privatsender ProSieben und Sat.1 bieten laut Sprecherin Sabine Segerer-Utz speziell auf das Internet zugeschnittene Clips - bei ProSieben sind das zum Beispiel die «Galileo»-News, bei Sat.1 die Angebote auf der Newsseite.


Mehrere Tage vor dem Sendestart hat «heute +» bei Facebook rund 3300 Fans. Bröckerhoff bringt auf den Punkt, wie vor allem Jüngere die Nachrichten konsumieren: «Man snackt sich quasi durch die Info.» (DPA)