BGH lässt enterbten Sohn für Pflege des Vaters zahlen

Das Urteil hat bundesweit Auswirkungen auf Städte und Gemeinden. Denn sie müssen oft über die Sozialhilfe für die Pflegekosten alter Menschen aufkommen, wenn deren Rente dafür nicht reicht. Foto: Oliver Berg
Das Urteil hat bundesweit Auswirkungen auf Städte und Gemeinden. Denn sie müssen oft über die Sozialhilfe für die Pflegekosten alter Menschen aufkommen, wenn deren Rente dafür nicht reicht. Foto: Oliver Berg

Erwachsene Kinder müssen die Heimkosten von Mutter und Vater selbst dann tragen, wenn die Eltern seit Jahrzehnten jeden Kontakt verweigert haben. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. Das Urteil stößt auf Kritik. Ein Beamter aus Bremen muss daher 9000 Euro für das Pflegeheim seines mittlerweile gestorbenen Vaters zahlen. Beide hatten seit über 40 Jahren keinen Kontakt mehr - auf Wunsch des Vaters. Der Anwalt des Beamten kritisierte das Urteil.

Der BGH habe verkannt, was ein Verhalten wie das des Vaters für einen Menschen bedeuten könne, sagte der Anwalt des Beamten, Michael Klatt aus Oldenburg. «Auch für einen Erwachsenen wie meinen Mandanten ist das eine hohe emotionale Belastung, die an psychischer Gewalt grenzt.» Der Vater habe sich von seinem Sohn jedoch erst abgewandt, als dieser schon volljährig gewesen sei, begründete der BGH sein Urteil. Damit habe er seiner Elternpflicht im Wesentlichen genügt.

 

Nach der Scheidung der Eltern 1971 hatten Vater und Sohn noch losen Kontakt. Doch schon das bestandene Abitur des Sohnes ein Jahr später war dem Vater nur ein Achselzucken wert. Annäherungsversuche des Sohnes danach wehrte der Friseur ab, 1998 setzte er schließlich seine Lebensgefährtin als Erbin ein und enterbte sein Kind bis auf den «strengsten Pflichtteil», wie es im Testament hieß.

 

Der Anspruch auf Elternunterhalt sei nicht verwirkt, urteilte der BGH. Der Vater habe sich in den ersten 18 Lebensjahren um sein Kind gekümmert und mit dem Testament nur die ihm zustehenden Rechte wahrgenommen. Die Richter gaben der Stadt Bremen recht, die das Geld eingefordert hatte.

 

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kritisierte den Richterspruch scharf und kündigte eine politische Prüfung an. «Ich persönlich halte dieses Urteil für menschlich nicht nachvollziehbar», sagte er der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Donnerstag). Demgegenüber bezeichnete der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Jens Spahn das Urteil als «OK». Es sei grundsätzlich richtig, wenn Eltern und Kinder füreinander auch finanziell einzustehen hätten.

 

Derartige Fragen würden künftig immer größere Bedeutung bekommen sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. Denn schon heute zahlten die Kommunen 3,2 Milliarden Euro jährlich für die Pflege. (DPA)

 

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