EU-Politiker fordern «Ja» der Griechen beim Referendum

Bei einem «Nein» werden weitere Gespräche verkompliziert, warnt Pierre Moscovici (l) - bei einem «Ja» will Gianis Varoufakis zurücktreten. Foto: Olivier Hoslet
Bei einem «Nein» werden weitere Gespräche verkompliziert, warnt Pierre Moscovici (l) - bei einem «Ja» will Gianis Varoufakis zurücktreten. Foto: Olivier Hoslet

Europäische Politiker haben sich in die Debatte über die griechische Volksabstimmung zur Sparpolitik eingeschaltet. Dabei geht es darum, ob die Griechen mehrheitlich «Ja» sagen zu den Sparforderungen ihrer Geldgeber. Die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras wünscht sich ein «Nein». Ob das umstrittene Referendum überhaupt wie geplant am Sonntag stattfindet, will Griechenlands Staatsrat - das oberste Verwaltungsgericht des Landes - an diesem Freitag entscheiden.


EU-Währungskommissar Pierre Moscovici rief die Griechen auf, «Ja» zum Sparkurs zu sagen. «Wir müssen die Gespräche mit Griechenland einen Tag nach dem Referendum wieder aufnehmen», sagte er am Donnerstag in Brüssel. Ein «Nein» würde diese Verhandlungen viel komplizierter machen, mahnte Moscovici. Athen brauche aber weitere internationale Hilfe: «Griechenlands Finanzbedarf wird ja nicht verschwinden.»


«Es wäre falsch anzunehmen, dass ein Nein die griechische Verhandlungsposition stärken würde», sagte Valdis Dombrovskis, der für Wirtschaft und Währung zuständige EU-Kommissions-Vizepräsident der «Welt». «Das Gegenteil ist der Fall.»


Der Präsident des Europaparlaments Martin Schulz hofft, dass es nach der Volksabstimmung in Griechenland zu einem Rücktritt der Regierung Tsipras und zu Neuwahlen kommt. «Neuwahlen wären zwingend, wenn die griechische Bevölkerung für das Reformprogramm und damit den Verbleib in der Euro-Zone stimmt und Tsipras folgerichtig zurücktritt», sagte Schulz dem «Handelsblatt». Die Zeit bis zur Wahl müsse «mit einer technischen Regierung überbrückt werden, damit wir weiter verhandeln können», sagte Schulz weiter.


Der Internationale Währungsfonds (IWF) veröffentlichte in Washington eine Schätzung, wonach Griechenland bis 2018 etwa 52 Milliarden Euro benötigt. Griechenland hatte dem IWF eine fällige Kreditrate von 1,54 Milliarden Euro nicht zurückgezahlt und ist damit von weiteren Hilfen zunächst abgeschnitten. Dem Papier zufolge, das noch nicht mit der IWF-Führung abgestimmt ist, muss allein die Eurozone bis Ende 2018 noch einmal rund 36 Milliarden Euro nachschießen. Die IWF-Experten erklärten zudem, eine Lockerung der bislang erwogenen Reformpakete würde auch einen Schuldenschnitt notwendig machen.


Dieser IWF-Report «bestätigt voll die griechische Regierung», sagte deren Sprecher Gabriel Sakellaridis in Athen. Die Regierung halte die griechischen Schulden nämlich für nicht nachhaltig und fordere, dass jede neue Vereinbarung mit den Geldgebern eine Restrukturierung oder einen Schuldenschnitt enthalten müsse.


CSU-Chef Horst Seehofer knüpfte weitere Finanzhilfen für Griechenland an Bedingungen. «Wir können den Griechen nur dann mit weiterem Geld helfen, wenn es einen schlüssigen Plan gibt, wie sie durch Reformen ihre Schuldentragfähigkeit wieder herstellen wollen», sagte der bayerische Ministerpräsident der «Passauer Neuen Presse» (Freitag).


Der Vorsitzende der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann, forderte Regeln gegen eine Kapitalflucht aus Staaten wie Griechenland. Wenn ein Land sich nicht mehr selbst finanzieren könne, müssten Kapitalverkehrskontrollen den Geldtransfer verhindern, sagte Linnemann der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Freitag). «In Griechenland hat aber die reiche Oberschicht über Jahre ungehindert ihr Vermögen außer Landes gebracht», rügte der CDU-Politiker. Er sprach sich für eine Insolvenzordnung aus, die eine Sanierung oder den Austritt eines Eurolandes aus der Währungsunion vorsehe.


Zuvor hatte Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem ein Ausscheiden der Griechen aus der Eurozone ins Gespräch gebracht. Obwohl ein solcher «Grexit» rechtlich gar nicht vorgesehen ist, sagte Dijsselbloem in Den Haag: Bei einem «Nein» zum Sparkurs fehle nicht nur die Grundlage für ein neues Hilfsprogramm, «sondern dann ist es sehr fraglich, ob es überhaupt eine Basis für Griechenland in der Eurozone gibt». Der Vorsitzende der Euroländer-Finanzminister fügte hinzu: «Das ist die fundamentale Frage, um die es tatsächlich geht.»


Einer Umfrage zufolge zeichnet sich bei dem Volksentscheid ein knappes Rennen ab. 47,1 Prozent der Befragten würden demnach «Ja» sagen. 43,2 Prozent wären gegen die unlängst von den internationalen Gläubigern des Landes geforderten Reformschritte, ergab die Befragung von 1000 Griechen im Auftrag der Zeitung «Eleftheros Typos».


Griechische Verfassungsrechtler erwarten, dass der Staatsrat die Klage zweier Bürger gegen das geplante Referendum abweist. Die Kläger hatten argumentiert, die Volksabstimmung entspreche nicht den in der Verfassung vorgeschriebenen Anforderungen. Auch der Europarat in Straßburg hatte das Verfahren kritisiert.


Die Regierung in Athen warb weiter vehement für ein «Nein». Finanzminister Gianis Varoufakis knüpfte seine politische Zukunft an den Ausgang der Abstimmung. Sollten die Griechen «Ja» zu den Sparforderungen der Geldgeber sagen, werde er von seinem Amt zurücktreten, sagte Varoufakis dem Fernsehsender Bloomberg TV.


Gegner der Sparpolitik riefen für diesen Freitag und Samstag zu Demonstrationen in mehr als 120 europäischen Städten auf. Die Organisation Blockupy listete für Deutschland Protestveranstaltungen in Berlin und zwölf weiteren Städten auf. (DPA)