Unreife Junge oder sture Alte - Altersgrenze für Bürgermeister nötig?

Ministerpräsident Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen). Foto: Felix Kästle
Ministerpräsident Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen). Foto: Felix Kästle

Die Pläne zum Wegfall der Altersgrenze für Bürgermeister in Baden-Württemberg sind ins Stocken geraten. Im Ressort von Innenminister Reinhold Gall (SPD) hieß es am Donnerstag zur Begründung: «Die Regierungsfraktionen haben sich bisher noch nicht geeinigt.» Die Grünen im Landtag sind für eine Aufhebung der Altersgrenze, die Sozialdemokraten restriktiver. In der geplanten Reform der Gemeindeordnung ist das Thema ausgeklammert, obwohl sich Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) im Herbst 2014 dafür ausgesprochen hatte. 

Bei den Kommunalverbänden gehen die Meinungen auseinander.


Neuen Zündstoff erhielt die Debatte durch den Appell des Eppelheimer Bürgermeisters Dieter Mörlein (parteilos). Er forderte Kretschmann auf, sich für den Fall der Altersgrenze von 68 Jahren für Bürgermeister einzusetzen. «Ich erwarte vom Ministerpräsidenten, dass er mit seinem Anstoß zur Abschaffung der Altersgrenze ernst macht und die SPD dazu bringt, mitzuziehen», sagte der 66-Jährige.


Zunächst hatte die «Stuttgarter Zeitung» über das Anliegen des Schultes berichtet, der Ende 2016 - zwei Jahre vor Ende seiner vollen achtjährigen Amtsperiode - in den Ruhestand gehen muss. Dann liege er als Pensionär dem Steuerzahler auf der Tasche, obwohl er noch «topfit» sei, und zugleich müsse der Neue bezahlt werden, sagte der Mann, den es drei Mal pro Woche in das Fitness-Studio zieht.


Der Grünen-Politiker Andreas Schwarz ist auf Kretschmann-Kurs: «Wir wollen die Entscheidung, ob sie einen jungen Kandidaten oder eine ältere Person wählen, den Bürgern vor Ort überlassen.» Auch im Prozess der Gesetzgebung könnte der Komplex noch in die Novelle eingebracht werden: «Das Zeitfenster ist noch nicht zu.» Dass es sich um ein «Lex Kuhn» handeln könnte, das dem Stuttgater Oberbürgermeister Fritz Kuhn (59) eine zweite Amtszeit ermögichen könnte, wies Schwarz weit von sich.


Bei der SPD-Fraktion herrschen Bedenken vor: Wenn man die Obergrenze kippe, muss man auch die Untergrenze kippen, meinte Nikolaos Sakellariou. «Stellen Sie sich einen 18-Jährigen vor, der sich gut verkauft, und dann plötzlich setzt die zweite Pubertät ein. Und man kriegt ihn nicht los.» Und bei Senioren setzte in vielen Fällen eine «gewisse Sturheit» ein. Das sei die «tiefe Weisheit» der Regelung. Gegen eine Verkürzung der Amtsperiode, die manchem als logische Folge bei Freigabe der Altersgrenze erscheint, wehrten sich die Bürgermeister mit Zähnen und Klauen. Offizielle Gespräche zwischen den Fraktionen gebe es nicht.


Der Verwaltungswissenschaftler Paul Witt sieht die Altersgrenze kritisch, denn wenn ein Bürgermeister wirklich versage, könne der Gemeinderat über einen Amtsarzt die Dienstunfähigkeit feststellen lassen. Überdies gebe es den «Trottelparagraphen», der eine Amtsenthebung regelt, wenn der Bürgermeister die Anforderungen nicht mehr erfüllen kann. Auf Antrag der Rechtsaufsicht in Landratsamt oder Regierungspräsidium kann das Verwaltungsgericht die Amtszeit vorzeitig beenden.


Mörlein führt an, dass auch für den nur ein halbes Jahr jüngeren Regierungschef keine Altersbegrenzung gelte. Kretschmann tritt bei der Landtagswahl im kommenden Jahr wieder als Spitzenkandidat seiner Partei an. Auch für Präsidenten, Kanzler oder Minister gebe es kein Limit - «warum dann aber für Bürgermeister, die doch weniger Verantwortung tragen?», fragt der Mann, der sich als Vorkämpfer für mehr als 1000 Bürgermeister im ganzen Südwesten sieht.


Aus Sicht des Städtetags haben sich die geltenden Regelungen für Bürgermeisterwahlen bewährt. Dagegen sagte eine Sprecherin des Gemeindetages: «Wir haben einen Souverän, das Volk, der am besten weiß, wen er wählt.» Beim Alter der Kandidaten solle es weder nach oben noch nach unten Begrenzungen geben - einzige Bedingung sei die Volljährigkeit. Nach der Gemeindeordnung müssen die Bewerber am Wahltag da 25. Lebensjahr vollendet haben.


In der Vergangheit hatte es in Baden-Württemberg Fälle von mehr oder weniger erfolgreichen Bemühungen von Gemeinden gegeben, ihren Rathauschef in die Wüste zu schicken, so in Rickenbach (Kreis Waldshut), Kenzingen (Kreis Emmendingen) und Beuron (Kreis Sigmaringen). (DPA)