Stoch gegen mehr G9-Schulen: Studie sieht kaum Unterschiede

Kultusminister Andreas Stoch (SPD). Foto: Bernd Weißbrod/Archiv
Kultusminister Andreas Stoch (SPD). Foto: Bernd Weißbrod/Archiv

Kultusminister Andreas Stoch (SPD) sieht angesichts einer neuen Studie seinen Kurs gegen ein Ausweiten der neunjährigen Gymnasialzüge bestätigt. Der Minister betonte mit Blick auf die Untersuchung des Tübinger Bildungsforschers Ulrich Trautwein, dass die grün-rote Koalition für den Rest der Legislaturperiode festgelegt habe, die Zahl der 44 G9-Modellschulen nicht zu erhöhen. «Für mich wäre das auch darüber hinaus gültig», sagte er am Montag in Stuttgart.


Nach der Studie gibt es keine Leistungsunterschiede bei den Abiturnoten von G8- und G9-Schülern in Mathematik, Physik und Biologie, allerdings eine als größer empfundene Belastung der G8-Schüler. Ausnahme ist Englisch mit einer deutlich schwächeren Leistung der G8-Absolventen, die aber auch auf eine zeitlich mit der Reform zusammengefallene Reduzierung des Fremdsprachenunterrichts zurückgeführt werden könnte. Die Reform aus dem Schuljahr 2004/2005 schränke das Freizeitverhalten der Schüler nicht signifkant ein, heißt es in der Studie weiter. Es bleibe - entgegen landläufiger Kritik - genug Zeit fürs Musizieren, die Familie und kirchliches Engagement.


«Aufgrund dieser Ergebnisse, der bildungspolitischen Ausrichtung und den angestrebten Verbesserungen bei der Unterrichtsqualität sollte eine neuerliche Debatte um G8/G9 vermieden werden», folgerte Trautwein. Neunjährige Gymnasien stellten unnötige Konkurrenz für Real- und Gemeinschaftsschulen dar. Diese Erkenntnis erinnert an Stochs frühere Bemerkung: «Man könnte das G9-Gymnasium als natürlichen Feind der Gemeinschaftsschule bezeichnen.»


In der SPD-Landtagsfraktion gibt es hingegen starke Kräfte - unter anderem deren Chef Claus Schmiedel und den Bildungspolitiker Stefan Fulst-Blei -, die Zahl der neunjährigen Züge zu erhöhen beziehungsweise sie ganz freizugeben. Auch Städtetag und Landeselternbeirat befürworten ein Ausweiten des Modellversuchs, die Grünen sind aber strikt dagegen.


Trautwein kommentierte: «Beim Thema G8/G9 gab es starke Überzeugungen und schwache Daten.» Seine vom Tübinger Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung finanzierte Studie basiert auf 5000 Daten der Absolventen des letzten rein neunjährigen, des einzigen gemischten und des ersten reinen achtjährigen Abi-Jahrgangs an 48 Gymnasien.


Mit Blick auf die Angaben der G8-Schüler, trotz identischer Rahmenbedingungen unter mehr Stress und gesundheitlichen Problemen als die G9-Schüler zu leiden, erwägt Stoch ein Coaching-System. Lehrer, die Schülern der Klassen sieben bis neun bei schulischen und privaten Problemen beratend zur Seite stehen, hätten sich bei den bereits gut funktionierenden G8-Gymnasien bewährt.


Die von den G8-Schülern beschriebene Belastung, die sich in Kopf- und Bauschmerzen, Schlafstörungen und Erschöpfung äußert, führt Stoch auf das Fehlen der bislang auf die Kursstufe vorbereitenden 11. Klasse zurück. Deshalb solle nun in Klasse 10 versucht werden, die Kernfächer Deutsch, Mathe und eine Fremdsprache zu vertiefen und den Ganztagsbetrieb an Gymnasien auszubauen. Trautwein vermutet auch, dass das Empfinden der G8-Schüler die öffentliche Debatte über eine mögliche Überforderung widerspiegele. Übrigens fühlten sich Mädchen stärker belastet als Jungen.


Stoch verwies darauf, dass bei G8 schon nachjustiert wurde - so durch die maximale Zahl von 32 Wochenstunden für die fünfte und sechste Klasse und die Begrenzung der Nachmittage mit Unterricht auf zwei (Klassen 5 und 6) beziehungsweise drei (Klassen 7 bis 9).


Beim Weg zum Abitur gleicht Deutschland einem Flickenteppich. Während Niedersachsen komplett wieder auf neun Jahre umgestellt hat und in Bayern eine Aufweichung diskutiert wird, hält Ostdeutschland an den verkürzten Zügen fest. Rheinland-Pfalz wiederum hatte nie auf acht Jahre umgestellt. (DPA/LSW)