TÜV-Klassenzimmer-Test: Risiko durch gefährliche Gase

Der TÜV Rheinland hat die Schadstoffbelastung in Schulen- und Kindergärten geprüft. Vor allem Gase, die Lacken, Klebern und Schulmöbeln entweichen, können zur Gefahr werden. Foto: Oliver Berg
Der TÜV Rheinland hat die Schadstoffbelastung in Schulen- und Kindergärten geprüft. Vor allem Gase, die Lacken, Klebern und Schulmöbeln entweichen, können zur Gefahr werden. Foto: Oliver Berg

In vielen deutschen Klassenzimmern liegt ein Hauch von Gift in der Luft, warnt der TÜV Rheinland. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung, die die Tester jetzt vorgestellt haben. Die Experten wollten wissen, wie sehr sich die Schadstoffbelastung von ungeprüften Möbeln und Bauprodukten zu geprüften Stoffen unterscheidet. Auf dem TÜV-Gelände in Köln hatten sie hierfür zwei identische Klassenzimmer aufgebaut: das eine mit konventionellen Stoffen aus dem Baumarkt, das andere mit schadstoffgeprüften Materialien. In verschiedenen Phasen nahmen die Techniker Luftmessungen vor. Das Ergebnis: 

Die Werte für gasförmige chemische Verbindungen, die aus Farben, Lacken, Klebern, Stühlen oder Tischen entweichen, überschreiten teilweise um ein Vielfaches die Empfehlungen des Umweltbundesamtes: Mehr als drei Milligramm an sogenannten flüchtigen organischen Verbindungen pro Kubikmeter Luft stuft die Behörde als bedenklich ein. Etwa das 27-fache dieses Wertes haben die Überprüfer vom TÜV in der Raumluft mit den ungeprüften Produkten festgestellt.


«Für Schüler sind solch hohe Werte gesundheitsgefährdend», erläutert Kerstin Etzenbach-Effers, Chemie-Expertin bei der Verbraucherzentrale NRW. Lösungsmittel reizen die Atemwege, verursachen Kopfschmerzen, sorgen für Unwohlsein. Gerade für sensible Schüler wie Asthmatiker werden frisch renovierte Klassenräume dadurch zur Qual.


Wie die Untersuchungen ergeben hätten, entweiche ein großer Teil der Gase aus neuen Möbelstücken, erklärt der Geschäftsfeldleiter für Gefahrstoffe beim TÜV Rheinland, Walter Dormagen. Die Möbelindustrie sieht dagegen die Verantwortung bei den Schulen. «Bei Renovierungen oder beim Neubau spielen die Schadstoffemissionen der Produkte in den Ausschreibungen kaum eine Rolle», sagt der Geschäftsführer der Deutschen Gütegemeinschaft Möbel (DGM), Jochen Winning. Dann sei es natürlich klar, dass dies für die Hersteller auch keine Priorität habe.


Wollen die Schulen ihre Räume neu ausstatten, seien ganz andere Dinge gefragt: Oberflächen von Tischen müssten besonders langlebig und haltbar, Stühle höhenverstellbar und kippsicher sein. Zwar steige bei den Verbrauchern die Nachfrage nach Qualität. Jedoch seien schadstoffarme Produkte mit deutlich höheren Kosten verbunden.


Aber ist die Situation nun wirklich so alarmierend? Die Verbraucherzentrale NRW weist darauf hin, dass die Belastung der Raumluft im Laufe der Zeit abnehme. Durch regelmäßiges Lüften verflüchtigten sich die Stoffe nach und nach. Nach einem halben Jahr erreichten die Werte wieder ein niedriges Niveau.


Ein Problem für sich seien noch die Putzkolonnen, die nach Schulschluss die Klasasenzimmer reinigen: Mit ihren Reinigungsmitteln brächten sie eben jene Lösungsmittel wieder in die Räume, die man durchs Lüften eigentlich verbannen wollte.


Die TÜV spricht sich für einen «vorbeugenden Gesundheitsschutz» aus. Dabei könnten allerdings auch Eigeninteressen mitspielen: So rät der TÜV zu strengeren gesetzlichen Kontrollen und einem besseren Qualitätsmanagement vor Baubeginn durch Experten - zum Beispiel TÜV-Experten. (DPA)