Aufnahme missbrauchter Frauen aus Nordirak soll im März anlaufen

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Foto: Daniel Bockwoldt/Archiv
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Foto: Daniel Bockwoldt/Archiv

Baden-Württemberg will im März die ersten sexuell missbrauchten Frauen aus Syrien und dem Nordirak aufnehmen. Die Landesregierung legte als einziges Bundesland ein Sonderprogramm auf, um insgesamt mehreren hundert Opfern der Terrormiliz IS zu helfen. Ursprünglich sollten die traumatisierten Flüchtlinge noch vor dem Wintereinbruch in den Südwesten kommen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte aber eingeräumt, dass sich die Aufnahme von Missbrauchsopfern wegen der Einbeziehung vieler Stellen auch im Ausland schwierig gestalte.


Regierungschef Kretschmann sagte den «Stuttgarter Nachrichten» (Freitag), die erste Gruppe von Flüchtlingen, die im März aufgenommen werden soll, werde rund 20 Menschen umfassen. Insgesamt würden «auf absehbare Zeit bis zu 600 Mädchen und Frauen zu uns kommen». Mit den Begleitpersonen sollen es insgesamt bis zu 1000 Menschen werden.


Vor der Aufnahme soll ab Mitte März ein Ärzteteam die Frauen im Nordirak untersuchen. Der Traumatologe und Orientalist, Jan Ilhan Kizilhan, aus Villingen-Schwenningen (Schwarzwald-Baar-Kreis) kündigte an, in die Krisenregion zu reisen. «Wir haben die Strukturen aufgebaut, damit wir die ersten Frauen vor Ort übernächste Woche untersuchen können», sagte er der Deutschen Presse-Agentur am Freitag.


Kretschmann hatte beim Flüchtlingsgipfel im Oktober angekündigt, bis zu 1000 sexuell missbrauchte Frauen aufzunehmen, die Opfer des Islamischen Staates (IS) geworden waren. Sie kommen zusätzlich zu den Flüchtlingen ins Land, die Baden-Württemberg sowieso aufnehmen muss.


Die Unterbringung und die Betreuung der Flüchtlinge bezahlt das Land. Die voraussichtlichen Kosten dafür liegen laut Staatsministerium bei rund 20 000 Euro pro Flüchtling in den ersten zwei Jahren. Insgesamt betragen die Kosten nach Angaben der Regierung etwa 30 Millionen Euro.


Wo die Frauen untergebracht und behandelt werden, wollte Kretschmann nicht sagen. «Ich bitte die Öffentlichkeit um Zurückhaltung. Das sind hochtraumatisierte Frauen, die brauchen einen Schutzraum», sagte er den «Stuttgarter Nachrichten». In der Vergangenheit hatten die Städte Stuttgart, Schwäbisch Gmünd (Ostalbkreis) und Freiburg ihre Bereitschaft erklärt, die Frauen aufzunehmen.


Der Oberbürgermeister von Schwäbisch Gmünd, Richard Arnold (CDU), sagte der Deutschen Presse-Agentur am Freitag: «Wir sind vorbereitet, am ehesten auf die minderjährigen Flüchtlinge.» Das örtliche Franziskanerinnenkloster und die Franz von Assisi Gesellschaft könnten insgesamt bis zu 20 Frauen und Mädchen unterbringen. Die Gesellschaft könne sich zudem um die psychologische Betreuung kümmern. Die Einrichtung der Jugendhilfe habe bereits Erfahrung bei der Betreuung Minderjähriger.


Die traumatisierten Frauen und Mädchen sollen aber auch in den Universitätskliniken psychologisch betreut werden. «Wir werden nicht neue Strukturen gründen», sagte Psychologe Kizilhan. »Ich gehe davon aus, dass eine Erweiterung der vorhandenen Strukturen ausreichen muss.» Möglicherweise brauche es zusätzliche Stellen in den Kliniken.


Kizilhan berät die Landesregierung und will unter anderem mit den Krankenhäusern Therapiekonzepte für die Frauen erarbeiten. Der Traumatologe geht davon aus, dass rund ein Drittel der Frauen therapeutische Hilfe brauchen wird. Wie viele davon allerdings stationär behandelt werden müssen, sei noch unklar.


Der größte Teil der Frauen, die nach Baden-Württemberg kommen sollen, sind voraussichtlich Jesidinnen. Die Jesiden sind im Nordirak eine religiöse Minderheit, die von der Terrormiliz IS verfolgt wird. (DPA/LSW)