NS-Raubkunst aus Gurlitt-Sammlung bleibt in Deutschland

Laut Testament hat Gurlitt seine Sammlung dem Kunstmuseum Bern in der Schweiz vermacht. Foto: Gian Ehrenzeller
Laut Testament hat Gurlitt seine Sammlung dem Kunstmuseum Bern in der Schweiz vermacht. Foto: Gian Ehrenzeller

Trotz der Annahme des Gurlitt-Erbes durch das Kunstmuseum Bern sollen die als NS-Raubkunst umstrittenen Bilder zur weiteren Abklärung in Deutschland bleiben. Zudem verpflichtet sich die Bundesrepublik, die Rechtskosten zu übernehmen, sollte das Museum auf die Herausgabe von Werken verklagt werden. Wie der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag aus Kreisen deutscher Kulturverantwortlicher bestätigt wurde, sind das die Kernpunkte einer Vereinbarung, auf die sich das Museum, der Bund und Bayern in monatelangen Verhandlungen geeinigt haben. 

Am Montag soll die Übereinkunft offiziell in Berlin vorgestellt werden.


Ein Sprecher von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) wollte die Informationen auf dpa-Anfrage nicht bestätigen. Er verwies auf den angekündigten Pressetermin am Montag. Nach der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» hatten am Wochenende auch mehrere andere Medien über die Vereinbarung berichtet.


Überschattet wird der mühsam ausgehandelte Konsens durch einen Antrag von Gurlitts 86-jähriger Cousine Uta Werner, die am Freitag vor dem Nachlassgericht München überraschend Anspruch auf das Erbe erhoben hat. Sie bezieht sich auf ein von ihr mit in Auftrag gegebenes Gutachten, das Gurlitt für nicht testierfähig erklärte.


Uta Werners Bruder Dietrich Gurlitt (95) wies unterdessen Spekulationen über den Geisteszustand des Kunstsammlers zurück. «Über die Beschlagnahme seiner Bilder war er so empört, dass er kein deutsches Museum auswählte», teilte der Cousin der dpa mit. «Das alles ist nicht paranoid, sondern konsequent und verständlich.»


Die beiden betagten Geschwister sind in der gesetzlichen Erbfolge Gurlitts nächste Verwandte, wurden im Testament aber übergangen. Stattdessen hatte der Kunstsammler das Berner Museum als Alleinerben seiner mehr als 1500 Werke umfassenden Sammlung und anderer Besitztümer eingesetzt.


Das Museum will nach dpa-Informationen das schwierige Erbe auch antreten. Am Samstag war der Stiftungsrat nach mehrfachen Beratungen zu einer abschließenden Entscheidung zusammengekommen. Gurlitts Nachlass enthält Hunderte Bilder und Zeichnungen, die unter Raubkunstverdacht stehen.


Sie sollen der Vereinbarung zufolge zunächst von der Ende 2013 eingesetzten deutschen Taskforce weiter auf ihre Herkunft hin untersucht werden. Klärt sich ein Verdacht, ist die Rückgabe an die Erben der einstigen Besitzer geplant.


Nach einem Bericht der «Neuen Zürcher Zeitung» soll die Arbeit der Taskforce («Provenienzrecherche») möglichst bald durch eine privat finanzierte Schweizer Expertengruppe unterstützt werden. Bern strebe eine «beispielhafte Klärung» aller Fragen zur Rückführung der von den Nazis geraubten Kulturgüter an, so das Blatt.


Zwei Werke - «Sitzende Frau» von Henri Matisse und Liebermanns «Zwei Reiter am Strand» - waren von der Taskforce bereits als NS-Raubkunst beurteilt worden. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins «Focus» stuften die Experten inzwischen auch die Zeichnung «Das musizierende Paar» von Carl Spitzweg als ein in der Nazi-Zeit geraubtes Werk ein.


Der Anfang Mai mit 81 Jahren gestorbene Gurlitt hatte die umstrittene Sammlung von seinem Vater geerbt, der Kunsthändler der Nationalsozialisten war.


Welche Auswirkungen der Erbschein-Antrag der Cousine auf das weitere Vorgehen hat, war zunächst nicht abzusehen. Ihr Bruder Dietrich sprach sich ausdrücklich dafür aus, den letzten Willen des Cousins zu erfüllen und das Kunstmuseum Bern als Alleinerben zu akzeptieren.


«Ich kannte Cornelius in seinen jungen Jahren», teilte Dietrich Gurlitt mit. «Er hatte und wollte als Erbe keinen Kontakt zu uns, da wir ihm für seine große Sammlung nicht kompetent waren.» (DPA)