Karstadt in Stuttgart vor dem Aus: Verdi kritisiert Karstadt-Eigner

Verdi: Mehr als 200 Beschäftigte sind von Schließung betroffen. Foto: C. Seidel
Verdi: Mehr als 200 Beschäftigte sind von Schließung betroffen. Foto: C. Seidel

Die geplante Schließung des Karstadt-Hauses in Stuttgart hat nach Einschätzung der Gewerkschaft Verdi nichts mit der schwierigen Lage der Warenhäuser zu tun. «Hier saniert sich der Immobilienbesitzer Benko auf dem Rücken der Stuttgarter Belegschaft», sagte Verdi-Landesfachbereichsleiter Bernhard Franke am Freitag in Stuttgart mit Blick auf den Neu-Eigentümer René Benko, der hinter der Holding Signa steht. In Stuttgart sind nach Angaben der Gewerkschaft mehr als 200 Beschäftigte von der für Mitte 2015 vorgesehenen Schließung betroffen.

Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) bedauerte die angekündigte Schließung in Stuttgart. Die Entscheidung liege allein in der Verantwortung des Unternehmens. Der Aufsichtsrat von Karstadt hatte am Donnerstagabend beschlossen, sechs Filialen des Krisenkonzerns zu schließen, darunter das klassische Warenhaus in Stuttgart. Bei weiteren acht bis zehn Filialen werde er individuelle Lösungen suchen, sagte der neue Karstadt-Chef Stephan Fanderl dem «Handelsblatt». Gleichzeitig wolle er über Einsparungen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld und über eine Tarifpause über 2015 hinaus sprechen.


«Das Märchen von der Schaffung neuer Arbeitsplätze im Stuttgarter Einzelhandel zerplatzt wie eine Seifenblase», sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion im Deutschen Bundestag, Michael Schlecht. Es sei zu befürchten, dass das nur der Anfang einer verhängnisvollen Entwicklung sei.


In der Stuttgarter Innenstadt haben erst jüngst zwei Einkaufszentren eröffnet, die Umsätze von bis zu 350 Millionen Euro im Jahr erwarten - etwa ein Drittel der Erlöse, die derzeit in der Stuttgarter Innenstadt erzielt werden. Die Stuttgarter Königstraße gilt trotzdem als eine der am meisten frequentierten Fußgängerzonen bundesweit.


Benkos Signa-Holding wirbt auf ihrer Webseite mit dem Grundstück. «Der Standort bietet Potenzial für Filialisten, welche nach innerstädtischen Flächen suchen, die aufgrund des Flächenmangels in den letzten Jahren nicht bedient werden konnten», heißt es dort. Auf der Stuttgarter Königstraße können nach einem Report von Colliers Bräutigam & Krämer für neu vermietete Ladenlokale bis zu 300 Euro je Quadratmeter verlangt werden. Was mit dem Haus passieren soll, ist noch unklar. In Stuttgarter Immobilienkreisen wird spekuliert, dass dort eine kleine Mall für unterschiedliche Einzelhändler entstehen könnte. Die Stuttgarter City-Managerin Bettina Fuchs weiß nichts von solchen Plänen.


«Wahrscheinlich wäre das Haus längst in schwarzen Zahlen, wenn der Ertrag nicht durch übermäßig hohe Mieten abgesaugt würde», sagte Franke. Karstadt Stuttgart gehöre schon immer zu den besten Standorten und entwickele sich seit Jahren besser als der Konzern, sagte Franke.


Offenbar ging die Strategie aber zumindest an einigen Kunden vorbei: Die Stuttgarter Karstadt-Kundin Ursula Weber sagte, sie komme öfter zum Einkaufen in das Warenhaus. Sie habe aber in den letzten Jahren eine Veränderung des Warengebots bemerkt. Es sei «sehr altbacken» geworden, sagte sie mit Blick auf die Mode-Auswahl. Wer immer dort eingekauft habe, sei beim Geschmack der 80er Jahre stehen geblieben.


Der Betriebsrat will sich dafür einsetzen, die Arbeitsplätze an dem Standort im Einzelhandel zu erhalten, auch wenn Karstadt geschlossen wird. In Stuttgart sind nach Angaben der Gewerkschaft 180 Mitarbeiter direkt bei Karstadt beschäftigt, hinzu kommen 30 Mitarbeiter in der Gastronomie und 20 über Werkverträge und geringfügig Beschäftigte. Bundesweit hat Karstadt derzeit noch insgesamt 17 000 Beschäftigte.


«Wir haben seit 2004 Beiträge zum Erhalt der Firma geleistet», sagte der Stuttgarter Betriebsratschef Michael Markowsky. Die Belegschaft sei im Schnitt 46 Jahre alt. Die Mitarbeiter hätten mit Enttäuschung auf die Schließung reagiert. «Wir brauchen eine echte Perspektive für die Kolleginnen und Kollegen», forderte Markowsky. (DPA/LSW)