Aufklärung an Schulen: Philologenverbandschef erzürnt Minister

Kultusminister Andreas Stoch (SPD). Foto: Sebastian Kahnert/Archiv
Kultusminister Andreas Stoch (SPD). Foto: Sebastian Kahnert/Archiv

Der Landeschef des Philologenverbandes, Bernd Saur, hat mit seiner Kritik an einer angeblichen «Pornografisierung» der Schule Kultusminister Andreas Stoch erzürnt. Der SPD-Politiker warf Saur in einem offenen Brief unverantwortlichen und unfairen Umgang mit dem Thema Akzeptanz sexueller Vielfalt vor. «Mit ihrem Kommentar tragen Sie wesentlich zu einer Verschärfung des öffentlichen Diskurses bei», erklärte Stoch zu einem Gastbeitrag Saurs im «Focus». Er sei empört über Art und Weise der Kritik, heißt es in dem Schreiben, das der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. 

Im Südwesten wird gerade ein neuer Bildungsplan erarbeitet; er soll Lehrer dafür sensibilisieren, Toleranz gegenüber Unterschiedlichkeit von Menschen zu vermitteln.


Der Ulmer Gymnasiallehrer hatte im Magazin «Focus» unter der Überschrift «Schamlos im Klassenzimmer» davor gewarnt, Kinder «nicht vertretbaren Übergriffen durch entfesselte, öffentlich komplett enttabuisierte Sexualpädagogen» auszusetzen. «Themen wie Spermaschlucken, Dirty Talking, Oral- und Analverkehr und sonstige Sexualpraktiken inklusive Gruppensex-Konstellationen, Lieblingsstellung oder die wichtige Frage «Wie betreibt man einen Puff» sollen in den Klassenzimmern diskutiert werden.»


Stoch meinte dazu: «Ich möchte Ihnen sagen, dass ich derartige Diktionen in einem öffentlichen Diskurs, in einem fachlichen schon gar nicht, bislang nicht erlebt habe.» Saur habe drastische Formulierungen gefunden, um seine Behauptungen zu untermauern und verschärfe damit die öffentliche Debatte. Er mahnt: «Ich möchte Sie deshalb bitten, sich zukünftig stärker darum zu bemühen, an einem seriösen, verantwortlichen und fair geführten Diskurs teilzunehmen.»


Saur ist Mitglied im Beirat der Bildungsplankommissionen und hat in diesem Gremium laut Ministerium bislang keine Kritik geübt. Stoch betonte, Saur müsse durch dieses Amt wissen, dass die Frage der Toleranz im Konsens mit vielen anderen gesellschaftlichen Akteuren gefördert würden. «Es geht um die Frage, wie alle Menschen ohne Diskriminierungen leben können», erläuterte Saurs oberster Dienstherr in dem Schreiben.


Der Englischlehrer hatte am Vortag betont, seine Kritik beziehe sich nicht auf Baden-Württemberg, sondern auf Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Die Sprecherin des Schulministeriums in Düsseldorf betonte, die Richtlinien zu Sexualkunde stammten aus dem Jahr 1999 und es gebe keine Pläne diese zu verändern.


Dem schenkt die Grünen-Bildungspolitikerin Sandra Boser keinen rechten Glauben. «Was Bernd Sauer von sich gibt, ist ekelhaft: Er macht den Eltern in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen Angst und hofft in Baden-Württemberg auf einen Kollateralschaden. Man kann nur hoffen, dass die Eltern im Land nicht auf diesen Bauernfänger-Trick hereinfallen.» Zuletzt hatten am Sonntag 1200 Menschen in Stuttgart sich gegen eine angebliche «Sexualisierung» der Schule gewandt.


Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand sagte: «Ich bin immer wieder erstaunt darüber, welches Kopfkino die Diskussion um den neuen Bildungsplan bei manchen Menschen auslöst.» Saur sollte sich selbstkritisch fragen: «Welches sind die tatsächlichen Pläne der Landesregierung - und welche Bilder laufen da in meinem Kopf ab und warum?» (DPA/LSW)