Neue Verfassungsbeschwerde gegen Euro-Rettungspolitik

Die obersten Richter in Karlsruhe müssen sich erneut mit einem zentralen Element der Euro-Rettungspolitik auseinandersetzen. Foto: Uli Deck/Archiv
Die obersten Richter in Karlsruhe müssen sich erneut mit einem zentralen Element der Euro-Rettungspolitik auseinandersetzen. Foto: Uli Deck/Archiv

Erneut soll ein zentrales Element der Euro-Rettungspolitik vom Bundesverfassungsgericht unter die Lupe genommen werden. Eine Gruppe Professoren will Verfassungsbeschwerde gegen die Europäische Bankenunion erheben. Die Bankenunion habe keine Rechtsgrundlage in den europäischen Verträgen und stelle einen Grundrechtsverstoß dar, teilte die «Europolis-Gruppe» in Berlin mit. «Europolis» ist eine Gruppe um den Berliner Finanzwissenschaftler Prof. Markus C. Kerber.

Zuvor hatte die «Welt am Sonntag» darüber berichtet. Ein Sprecher des Bundesverfassungsgerichts konnte den Eingang der Klage zunächst nicht bestätigen.

 

Eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums sagte am Sonntag: «Uns liegt keine Klageschrift vor. Wir können die angekündigte Klage daher nicht kommentieren.» Das Finanzministerium habe aber zusammen mit den Verfassungsressorts die jetzigen Grundlagen der Bankenunion sorgfältig geprüft. Die Bankenunion und damit die Bankenaufsicht seien verfassungsgemäß.

 

Banken in der EU sollen als Lehre aus der Finanzkrise künftig stärker überwacht werden. Erste Säule der Bankenunion ist die europäische Bankenaufsicht unter dem Dach der Europäischen Zentralbank (EZB), die November ihre Arbeit aufnehmen soll. Die EZB kontrolliert dabei die bedeutenden Banken im Euroraum - nach Bilanzprüfungen und Stresstests.

 

Die Bankenaufsicht und die Rolle der EZB aber sind umstritten. «Die Europäische Zentralbank bekommt mehr Macht als ihr zusteht. Dies ist ein Grundrechtsverstoß», sagte der Initiator der neuen Verfassungsbeschwerde, der Finanzwissenschaftler Kerber, der Nachrichtenagentur dpa. «Man kann sich nur fragen, wie der Bundestag diesem zustimmen konnte.» Die Europäischen Verträge - und zwar Artikel 127 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU - erlaubten keinen «Totaltransfer» nationaler Aufsichten auf die EZB.

 

Zudem kritisierte Kerber: «Wir halten die Übertragung der nationalen Bankenaufsicht auf die EZB für das ungeeignetste Mittel, um Ordnung in die Finanzwelt zu bringen.» Denn die EZB agiere immer stärker fiskalpolitisch. «Sie überschüttet die Kreditinstitute mit billiger Liquidität und schafft auf diese Art und Weise Risiken. Nun soll sie aber auf der anderen Seite diese Risiken begrenzen. Hier hat man den Bock zum Gärtner gemacht.»

 

Die europäische Finanzaufsicht führe zudem einer Vergemeinschaftung nationaler Risiken, sagte Kerber. «Dabei kann Deutschland nichts gewinnen.» Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) täusche die Öffentlichkeit über die Risiken der Bankenunion. Es gehe um Haftungsrisiken, «die weit über alle bisherigen Rettungsmaßnahmen hinausgehen».

 

Der Finanzwissenschaftler kündigte zudem weitere Verfassungsbeschwerden an, und zwar gegen den geplanten Banken-Abwicklungsfonds. «Da dieser aber noch nicht rechtskräftig ist, kann er auch noch nicht angegriffen werden.»

 

Das Bundesverfassungsgericht hatte sich erst im Februar mit einem anderen zentralen Element der Euro-Rettung befasst. Dabei hatte das Gericht entschieden, das umstrittene Programm der Europäischen Zentralbank (EZB) zum Ankauf von Staatsanleihen vom Europäischen Gerichtshof prüfen zu lassen. Das deutsche Verfassungsgericht geht davon aus, dass die EZB mit dem sogenannten OMT-Programm ihre Kompetenzen überschritten hat. Der 2012 beschlossene Plan der Notenbank gilt als Hauptgrund für die Beruhigung der Eurokrise. (DPA)

 

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