Passagiermaschine über Ostukraine wohl abgeschossen: 298 Tote

Wrackteile der abgestürzten Maschine liegen auf einem Feld in der Region Donezk. Foto: Alyona Zykina
Wrackteile der abgestürzten Maschine liegen auf einem Feld in der Region Donezk. Foto: Alyona Zykina

Eine Passagiermaschine der Malaysia Airlines mit 298 Menschen an Bord ist über dem Osten der Ukraine nach Erkenntnissen der USA vermutlich abgeschossen worden. Unter den Opfern sind auch vier Deutsche. Niemand der 283 Passagiere und 15 Besatzungsmitglieder überlebte den möglichen Abschuss in etwa 10 000 Meter Höhe. Russlands Präsident Wladimir Putin gab der Ukraine die Schuld. Sein ukrainischer Kollege Petro Poroschenko machte prorussische Kämpfer verantwortlich.

Der Vizepräsident der Malaysia Airlines Europe, Huib Gorter, sagte am Abend am Amsterdamer Flughafen Schiphol, dass vier deutsche Passagiere ums Leben gekommen seien. Vom Auswärtigen Amt in Berlin gab es dafür zunächst auf Anfrage keine Bestätigung.

 

Von den Opfern kamen nach diesen Angaben 154 aus den Niederlanden. An Bord waren auch 27 Australier, 23 Malaysier, 11 Indonesier, 6 Briten, 4 Belgier, 3 Philippiner und ein Kanadier. Von den anderen Passagieren stehe die Nationalität noch nicht fest, so der Manager. Die Maschine war als Flug MH 017 um 12.15 Uhr von Amsterdam mit dem Ziel Kuala Lumpur gestartet.

 

Auch US-Vizepräsident Joe Biden sprach von einem Abschuss der Maschine. Der Absturz sei sei «kein Unfall», die Maschine sei «vom Himmel geholt worden», sagte Biden nach Angaben des TV-Senders MSNBC in Detroit. Das entspricht der Einschätzung des US-Geheimdienstes, der von einem Raketenbeschuss ausgeht. Die «Washington Post» zitierte einen namentlich nicht genannten Geheimdienstbeamten.

 

Mit dem möglichen Abschuss wird sich der UN-Sicherheitsrat befassen. Großbritannien beantragte eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates, wie Diplomaten in New York sagten. Dem Vernehmen nach soll das Gremium am Nachmittag (21.00 Uhr MESZ) darüber beraten.

 

Kremlchef Putin gab der Ukraine die Verantwortung. Die schreckliche Tragödie wäre nicht passiert, wenn es in der Ostukraine keinen Krieg gebe, sagte Putin am späten Donnerstagabend bei Moskau. «Diese Tragödie wäre nicht passiert, (...) wenn nicht die Kampfhandlungen im Südosten der Ukraine wieder aufgenommen worden wären.»

 

Ukraines Präsident Poroschenko sprach von einem «terroristischen Akt». Er warf den Separatisten vor, die Boeing abgeschossen zu haben - wie zuletzt mehrere ukrainische Militärflugzeuge. Die ukrainische Luftwaffe habe mit der Tragödie nichts zu tun, so der Präsident, der umgehend eine Untersuchungskommission bilden ließ. «Wir sind überzeugt, dass die Verantwortlichen für diese Tragödie zur Verantwortung gezogen werden.»

 

Die Lufthansa und andere Fluggesellschaften reagierten umgehend auf das Unglück und änderten ihre Flugrouten nach Asien. Der ostukrainische Luftraum werde bis auf weiteres weiträumig umflogen, sagte ein Lufthansa-Sprecher in Frankfurt.

 

Malaysia trauert noch immer um die Opfer von Flug MH 370, der seit dem Start in Kuala Lumpur im März mit 239 Menschen an Bord verschollen ist.

 

Rettungskräfte erreichten am Abend das Wrack des Flugzeugs in der Nähe der Ortschaft Grabowo. «Die Arbeiten werden davon erschwert, dass die Trümmer in großem Umkreis verstreut sind», sagte der Sprecher des ukrainischen Notfalldienstes, Sergej Botschkowski. Zudem seien bewaffnete Separatisten in der Nähe.

 

Die Separatisten gaben an, sie hätten den Flugschreiber der Boeing gefunden. «Die Black Box wurde sichergestellt», sagte einer der Sprecher, Konstantin Knyrik. Auch Experten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) machten sich auf den Weg zum Wrack. Die Separatisten boten am Abend eine befristete Feuerpause während der Bergungsarbeiten an.

 

Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich schockiert und forderte eine umgehende und unabhängige Untersuchung. Merkel trauere um die Opfer des Absturzes der malaysischen Passagiermaschine, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit. «Sollte sich diese Nachricht (vom Abschuss) bestätigen, so stelle sie eine weitere, tragische Eskalation des Konfliktes im Osten der Ukraine dar.»

 

Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier forderte in Mexiko-Stadt eine internationale Untersuchung: «Dass Hunderte völlig Unbeteiligte auf diese furchtbare Weise ums Leben kommen, versagt mir die Sprache.» Steinmeier, die EU und auch die Nato forderten eine internationale Untersuchung.

 

Großbritanniens Premierminister David Cameron zeigte sich bestürzt: «Ich bin schockiert und traurig.»

 

Die Separatisten hatten zuletzt mehrfach zugegeben, ukrainische Kampfjets, Transportmaschinen und mehrere Hubschrauber abgeschossen zu haben. Nach unbestätigten Twitter-Berichten haben die Separatisten behauptet, ein Buk-Flugabwehrsystem im Verlauf der Kämpfe erbeutet zu haben.

 

Das in den 80er-Jahren von sowjetischen Militärs entwickelte Lenkwaffen-System Buk (Buche) kann Ziele in Höhen bis zu 25 000 Metern treffen. (DPA)

 

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